Fortschrittsgedanken mit Mirja Telzerow

Fortschrittsgedanken mit Mirja Telzerow


Zum Format:

"Fortschrittsgedanken" erschien 2020 wöchentlich auf dem FAIR.nrw Blog und stellt die Meinung verschiedener Expertinnen und Experten aus Forschung und Praxis zu immer gleichbleibenden Fragen dar. Dabei geht es primär um das Thema Algorithmen in der Personalauswahl. FAIR war ein Projekt, welches von CASE und der Universität Köln geführt wurde.


Zur Autorin:
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Mirja Telzerow ist Director HR & Operations bei Kearney – einer weltweit tätigen Beratungsgesellschaft mit 4000 Mitarbeiter*innen in 40 Ländern. Jährlich starten über 150 neue Kolleg*innen in den Ländern Deutschland, Schweiz und Österreich. Kearney arbeitet vielfältig daran tools und apps in die gesamte HR Prozesskette zu integrieren und damit die Leistungen für die internen und externen Kunden zu verbessern. Jedes Jahr gehen weit über 5000 Bewerbungen für die deutschsprachigen Einheiten ein, so dass insbesondere das Thema Recruiting eine hohe Bedeutung genießt.

Welche Chancen bieten Algorithmen in der Personalauswahl und wo liegen Risiken?
Immer wieder werden Personalern und natürlich den Geschäftsbereichsverantwortlichen ein „bias“, d.h. eine gewissen Voreingenommenheit bei der Entscheidung zu Neueinstellungen vorgeworfen. Ist das verwunderlich? Natürlich nicht: Jeder Mensch hat bestimmte Entscheidungsmuster, die durch Erziehung und Erfahrung geprägt wurden. Diese haben Einfluss darauf wie wir Menschen sehen, wie wir sie im ersten Augenblick beurteilen. Der erste Eindruck zählt, sagt man so häufig und dieser geht immer durch eine vorgefärbte Linse. Also auch bei Neueinstellungen und das fängt gleich beim ersten Lesen des Lebenslaufs an. Da gibt es gedanklich Pluspunkte, wenn der/die Kandidat*in, dieselbe Universität besucht hat oder Sportart betreibt. Unterbewusst, aber eindeutig: Der/die Bewerber*in ist wie ich, also muss sie gut sein. Natürlich betreiben die Personalabteilungen in allen Konzernen viel Aufwand im Training, genau diese Voreingenommenheit aus der Entscheidung herauszunehmen und sich dessen bewusst zu werden. Klappt das? Bedingt. Und hier kommen wir zu den großen Chancen der Algorithmen. Ziel ist ja selten, dass alle Teammitglieder, dieselbe Uni besucht haben, sondern, dass alle eine sehr gute Leistung bringen. Algorithmen können also helfen eine neutrale Vorentscheidung zu bringen, welche/r Kandidat*innen dies sein könnten. Risiko liegt in dem Algorithmus an sich. Wie ist er gestaltet. Denn, wenn eine Organisation nicht darauf achtet, kann sie sich aufgrund der ausgewählten Algorithmen immer wieder selbst produzieren.

Welchen Einfluss hat Diskriminierung in der Personalauswahl?
Vermeidung von jeglicher Diskriminierung in der Personalauswahl ist seit vielen Jahren eines der Hauptthemen im HR. Viele Ideen sind hierzu entworfen und getestet worden – schon allein aufgrund des Anti-Diskriminierungsgesetzes. Bei Diskriminierung fällt einem zumeist sofort das Geschlecht oder Nationalität ein. Dies lässt sich zumeist relativ einfach in der Personalauswahl neutralisieren, indem HR entsprechende Stellen schwärzt. Darüber hinaus wird es schwieriger und da kann Diskriminierung dann durchaus entstehen: Schule, Hobbies, Universität. Das alles gibt Ansatzpunkte für eine Diskriminierung.

Können Algorithmen dabei helfen Diskriminierung in der Personalauswahl abzubauen?
Algorithmen können in der Tat helfen Diskriminierung bei Aspekten der unbewussten Voreingenommenheit abzubauen. Dafür ist eine offene Auseinandersetzung mit den Themen notwendig und der klare Wille der Führungsebene, diese zu reduzieren. Auf der anderen Seite kann bei einer falschen Anwendung von Algorithmen auch Diskriminierung verschärft werden. Es liegt an der Personalabteilung mit entsprechender Sorgfalt die Algorithmen zu gestalten.

Ganz konkret: Wie sieht der ideale Prozess für die Personalauswahl aus? 
Im Idealfall verläuft die Personalauswahl in einer Kombination. Im ersten Schritt werden Algorithmen eingesetzt, um die generelle Eignung zu beurteilen, aber auch, um mögliche Voreingenommenheit einzelner Entscheider, aber auch einer Organisation, zu reduzieren. Im nächsten Schritt geht es dann darum, ob der/die Kandidat*in ins Team und zur Organisation passt. Zum heutigen Zeitpunkt würde ich dies den zukünftigen Teammitgliedern und Vorgesetzten überlassen. Ein wesentlicher Bestandteil und auch Nutzen von Neueinstellungen, gerade bei Teams in Hochleistungsorganisationen, ist ja auch immer die Hinterfragung und Rekalibrierung des Teams.

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