High Five, Big Five! Wer studiert was?

High Five, Big Five! Wer studiert was?

Wer kennt sie nicht, hartnäckige Klischees zu gewissen Studiengängen? Juristen tragen den Pullover gern lässig über den Schultern, während Informatiker sich durch vornehme Blässe auszeichnen (schließlich sitzen sie den ganzen Tag am Computer) und Zahnmedizinerinnen mit Perlenohrringen punkten. Doch auch in Bezug auf Charaktereigenschaften glauben wir zu wissen, dass Psychologen, Kommunikations- und Wirtschaftswissenschaftler besonders gesellig sind und im Gegensatz dazu Maschinenbauer und IT-Studis lieber unter sich bleiben.

Heute fragen wir uns, wie viel Wahrheit wirklich hinter diesen Vorurteilen steckt. Und wenn es fächerspezifische Charaktereigenschaften gibt, wie kommt es dazu?

Um diese Fragen zu beantworten, haben wir uns die Ausprägungen bestimmter Charaktereigenschaften in unterschiedlichen Studienfächern angeschaut. Es lagen die Daten von über 23.000 Studierenden an deutschen Hochschulen vor; berücksichtigt wurden die folgenden Faktoren der Persönlichkeit:

  • Verträglichkeit/Kooperationsbereitschaft
  • Gewissenhaftigkeit/Perfektionismus
  • Extraversion/Geselligkeit
  • Emotionale Stabilität/Selbstbewusstsein
  • Offenheit/Aufgeschlossenheit

Diese Eigenschaften bilden in der Persönlichkeitspsychologie das sogenannte „Big Five“-Modell, mit dessen Hilfe sich jede Persönlichkeitsstruktur abbilden lässt. Anhand der Grafik lässt sich erkennen, dass es tatsächlich – je nach Studienfach – große Unterschiede in Bezug auf die Ausprägung der fünf Charaktereigenschaften geben kann.

Für die Dimension Verträglichkeit zeigt sich, dass die Gruppe der Psychologen und Pädagogen ein besonders hohes Maß an Empathie und Verständnis aufweist, gefolgt von Sozialwissenschaftlern und Medizinern. Auch Kommunikations-, Sprach- und Kulturwissenschaftler bringen ein überdurchschnittliches Feingefühl für ihr Gegenüber mit. Dies ist nicht verwunderlich, schließlich spielt die Fähigkeit, mit anderen Menschen wertschätzend umzugehen und sich in den Gesprächspartner hineinzuversetzen, bei Berufen wie Lehrer, Arzt, Journalist, Therapeut und Übersetzer eine große Rolle.

Unterdurchschnittlich verträglich zeigen sich hingegen Studierende der Ingenieurwissenschaften. Und – so die Statistik – auch Mathematiker, Informatiker, Juristen, Natur- und Wirtschaftswissenschaftler dürften häufiger mal zuhören und sich auf einen Kompromiss einlassen.

Bei potentiellen Arbeitgebern genießt der Faktor Gewissenhaftigkeit einen hohen Stellenwert: Diese Dimension gibt Aufschluss darüber, wie organisiert und überlegt eine Person handelt. Wer sucht schon einen nachlässigen Mitarbeiter? Hier sind die Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaftler besonders stark, ihnen unterlaufen selten Fehler. Auch überdurchschnittlich gewissenhaft arbeiten Studierende der Fächer Medizin/Gesundheitswissenschaften, Jura, Mathe sowie Informatik. Bewerber mit sozial-, sprach- oder kulturwissenschaftlichem Hintergrund sollten von Personalern besser auf die Probe gestellt werden. Kann dem jeweiligen Kandidaten Verantwortung übertragen werden? Statistisch gesehen ist es so, dass Studierende dieser Fächer in der Dimension Gewissenhaftigkeit eher schlecht abschneiden.

Als drittes wurde untersucht, welche Fächer-Vertreter über ein hohes Maß an Extraversion verfügen. Das Rennen machen in dieser Dimension die Wirtschaftswissenschaftler, die offenbar gerne im Team arbeiten und den Dialog suchen. Personenorientiert agieren auch Kommunikations- und Rechtswissenschaftler, gefolgt von Pädagogen/Psychologen und Mediziner/Gesundheitswissenschaftlern. Schwach zeigen sich in diesem Bereich MINT-Studierende und auch Sprach- und Kulturwissenschaftler sind überraschenderweise im Durchschnitt zurückhaltender und mehr in sich gekehrt.

Die emotionale Stabilität ist ein Indikator dafür, wie sicher eine Person mit Stress und Herausforderungen umgeht. Dieses Mal führen die Ingenieurwissenschaftler das Ranking an. Es folgen Wirtschaftswissenschaftler, Mathematiker/Informatiker, Mediziner/Gesundheitswissenschaftler. Studierende dieser Fächer sind laut Untersuchung eher zufriedene und ausgeglichene Zeitgenossen. Im negativen Sinne sind Sprach- und Kulturwissenschaftler Spitzenreiter, aber auch Sozial- und Rechtswissenschaftler scheinen sich von Schwierigkeiten leichter aus der Bahn werfen zu lassen und in turbulenten Zeiten mehr Unterstützung zu benötigen.

Zum Abschluss wurde analysiert, welche Studierenden Neuem gegenüber besonders aufgeschlossen sind. Die Dimension Offenheit beinhaltet aber auch die Eigenschaft, Dinge kritisch zu hinterfragen und unkonventionelle Wege einzuschlagen. Fast gleich stark sind darin Sprach-, Kultur- und Kommunikationswissenschaftler. Überdurchschnittlich offen sind außerdem Sozialwissenschaftler, Mediziner/Gesundheitswissenschaftler und Naturwissenschaftler. Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaftler bilden eindeutig das Schlusslicht in puncto Offenheit. Sie wagen weniger häufig Experimente und vertrauen lieber auf Altbewährtes.

Unsere Analysen haben übrigens ergeben, dass Schulabsolventen ihr Studienfach entsprechend ihrer Persönlichkeit wählen. Während des Studiums hat die Fächerwahl keinen Einfluss mehr darauf, inwiefern sich die Persönlichkeit der Studierenden verändert. Ganz getreu dem Motto: „Gleich und gleich gesellt sich gern“.

Die Auswertungen beruhen auf einem Forschungspapier von Bergerhoff und Seegers. Die Daten stammen aus der Fachkraft „2030“ Studienreihe (vormals Fachkraft „2020“), welche seit 2012 unter Schirmherrschaft der Maastricht University durchgeführt wird. In bisher zwölf Befragungsrunden wurden über 250.000 Studierende befragt. CASE ist Kooperationspartner des Fachkraft-Teams. Die Befragung erfolgt über das Jobmensa Netzwerk der Studitemps GmbH.

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